Heimatkunde hat viele Gesichter – Treffen des 23. Heimatkundlertreffens

Zahlreiche Vorträge hat das 23. Heimatkundlertreffen des Westerwaldkreises im Stöffel-Park in Enspel beinhaltet. Mehr als 90 Teilnehmer hörten den Referenten sehr aufmerksam zu. Das beeindruckte und freute auch Andreas Weidenfeller, der als Sachbearbeiter der Kreisverwaltung hier die Begrüßung übernahm und auch als Moderator wirkte. Eingeladen hatten der Westerwaldkreis und der Westerwald-Verein.

Für Erfrischungen und Mittagessen war im TERTIÄRUM (Erlebnismuseum zum Thema Fossilienfunde) gesorgt. Und der schöne Sonnenschein wurde im Vortragsraum zugunsten des Beamers erfolgreich gedämpft. Im Eingangsbereich wurde eine ordentliche Auswahl an Heimatliteratur präsentiert. Eine große Auswahl ist auch bei SCHRIFT:gut zu finden – zu sehen hier per Klick im Internet.

Als erster Redner sprach Dr. Michael Wuttke über die „Geologischen Besonderheiten im Stöffel-Park und die Stöffelmaus”. Wunderschöne Bilder ergänzten seine fundierten Ausführungen.

Weinanbau betreibt Volker Ecker im Merkelbacher Hofgarten. Regent und Müller-Thurgau baut er an. Er setzt sich intensiv mit Klimaphänomenen und Temperaturschwankungen auseinander, wie sein Vortrag zeigte. Dabei lässt er auch die Fauna (etwa den Vogelzug und Faltervorkommen) und Flora nicht außer Betracht.

Sehr ausführlich sprach Albert Schäfer über „Raiffeisen im Westerwald” und ging dabei auch auf kontrovers diskutierte Aspekte ein. Wolfgang Gerz hatte „Die Entwicklung der Genossenschaften im Westerwald” zum Thema. Leider setzte bei ihm der Beamer aus. Nur gut, dass es einen erfahrenen Redner traf, der damit umgehen kann.

Brigitte Funk vermittelte unter anderem die „Darstellung der Arbeit im Landesarchiv” und Dr. Moritz Jungbluth stellte das neue Exemplar der „Wäller Heimat” vor, an dem einige, die daran mitgewirkt hatten, nun im Zuschauerraum saßen. Es zeigte sich, dass die Länge respektive Anzahl der Vorträge den Zeitplan sprengten.

Um im Zeitplan zu bleiben – ab 13.30 Uhr ging es mit dem informellen Teil samt Mittagessen und Gedankenaustausch weiter –, wird Horst Wisser ein anderes Mal über den „Dialekt von Dreisbach” sprechen.

Markus Müller (Westerwälder Zeitung) und Andreas Weidenfeller im Gespräch.

Zum Vortrag von Wolfgang Gerz

Mit Humor, der allerdings treffend „den Finger in die Wunde legt”, würzt Wolfgang Gerz seine Texte und Vorträge. Nachdem der von ihm geschätzte Albert Schäfer, den er den Raiffeisen-Kenner des Westerwaldes nannte, seine Ausführungen dargelegt hatte, folgte Gerz mit der „Geschichte der Volks- und Raiffeisenbanken im Kreis Westerwald”. Er legte zunächst dar, dass diese nichts mit den heutigen Bankenrettungsbedürftigen zu tun haben, die den Steuerzahlern viele Milliarden kosteten. Denn ihre Geschichte verliefen genau anders herum: Sie halfen dem kleinen Mann. Hier folgen nur kleine Auszüge auf dem Vortrag von Wolfgang Gerz:

Diese Banken haben dieses Desaster nicht mit zu verantworten. Die Jünger von Raiffeisen und Schultze Delitzsch brauchen keinen Rettungsschirm. Volks- und Raiffeisenbanken waren und sind nämlich den Grundsätzen der Genossenschaftsidee verpflichtet – und das hat sie vor den Auswuchsen eines Turbokapitalismus bewahrt. Und deshalb kann ich Ihnen auch heute ganz getrost etwas zur Geschichte der Volks- und Raiffeisenbanken im Westerwaldkreis erzählen.

Einen der Gründerväter haben Sie ja im Vortrag von Herrn Schäfer schon kennengelernt. Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einen der bekanntesten Westerwälder überhaupt. Der andere stammt aus Sachsen und er heißt Hermann Schulze. Daheim war er in der Kleinstadt Delitzsch. Das hat ihm den Namen Hermann Schulze-Delitzsch eingebracht.

So wie Raiffeisen die Not der Westerwälder Bauern lindern wollte, so setzte sich Schulze-Delitzsch für die kleinen Handwerker seiner Heimat ein. Die Hungerkrise des Jahres 1846 ließ ihn aber zunächst zu ähnlichen Mitteln wie Raiffeisen greifen. Er kaufte mit Spendengeldern Getreide, pachtete eine Mühle und eine Bäckerei und ließ ermäßigtes Brot an Bedürftige abgeben. 1849 gründete er dann in Delitzsch eine Einkaufsgenossenschaft für Tischler und Schuhmacher und im folgenden Jahr einen Vorschussverein. Von der ursprünglich eher karitativen Ausrichtung erfolgte bald die Hinwendung zur genossenschaftlichen Selbsthilfe.

1855 veröffentlichte Schulze-Delitzsch sein Buch „Vorschuss- und Kreditvereine als Volksbanken”. Die Volksbanken waren geboren. Diese etablierten sich bald neben den Raiffeisenbanken auch im Westerwald.

Raiffeisen wie Schulze-Delitzsch erkannten sehr schnell, dass an einer übergeordneten Organisation kein Weg vorbeiführte, wollte man auf Dauer erfolgreich sein. So entstanden die unterschiedlichen Verbände, die heute unter Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken zusammengeschlossen sind.

Aber: Raiffeisen war evangelisch und er war sehr in seinem evangelischen Glauben verhaftet. Das kam im 19. Jahrhundert in überwiegend katholischen Gegenden gar nicht gut an. Man schätze zwar die Idee und das Werk, aber eben nicht einen Evangelischen. Dort kam dann Haas ins Spiel.

Was nun machte und macht eine Volks- und Raiffeisenbank aus? Das Wichtigste sind die Mitglieder. Sie erwerben mit ihrer Einlage einen Anteil an dem Kreditinstitut. Quasi gehört den Mitgliedern die Bank. Das ist der wesentliche Unterschied zu Sparkassen oder Großbanken.

Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem empfahl Gerz die Veröffentlichung „150 Jahre Westerwald Bank”, an der er selbst maßgeblich mitgewirkt hat. Hier geht es zum aktuellen SCHRIFT:gut-Programm.

(Text und Fotos: Tatjana Steindorf)